Gewiss nicht zufällig bildet das Vaterunser nach den Zehn Geboten und dem Glaubensbekenntnis
das Dritte Hauptstück von Martin Luthers Kleinem Katechismus; denn auch im Vaterunser geht
es um die Mitte des christlichen Glaubens.
Das Vaterunser ist in seiner Struktur dem jüdischen Achtzehn-Gebet verwandt - und mit seinen
sieben Bitten doch auch ganz verschieden. Vordergründig zwar ohne christologische Kontur,
handelt es sich nach Gerhard
Lohfink trotzdem eindeutig um ein Jüngergebet, Gebet von Menschen in der Nachfolge Jesu.
In der ersten Gruppe von drei Bitten geht es um Gott und die Verwirklichung seines Willens
für diese Welt - und in der zweiten um die (gefährdete, bedrohte) Jüngerexistenz unter der
Perspektive der Gottesherrschaft.
Es ist ein lohnendes Unterfangen, als Christgläubige, als Beter dieses Grundgebetes seine Gestalt
und die einzelnen Bitten näher zu betrachten - in ihren innerbiblischen Bezügen und in
ihren historischen Kontexten wie ihrer Bedeutung für christliche Existenz heute.